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Verband 29.04.2019

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Nachruf auf Josef Estermann-Odermatt

Ballwil Während Jahrzehnten hat Josef Estermann das Musik- und Kulturleben im Seetal und darüber hinaus massgeblich mitgeprägt. Am 30. Dezember 2018 ist er im Alter von 85 Jahren unerwartet rasch gestorben. Wenige Tage später nahm eine grosse Trauergemeinde in der Pfarrkirche Ballwil, einem seiner wichtigen Wirkungsorte, von ihm Abschied.  

 

Josef Estermann lebte für die Musik bis fast zuletzt, als ihm die Kräfte schwanden. Und er hielt Ballwil, trotz verlockender Angebote von auswärts, ungewöhnliche Treue: Während 55 Jahren dirigierte er den Kirchenchor, noch fünf Jahre länger versah er den Orgeldienst. Bei all dieser Standfestigkeit blieb er aber nicht stehen: Sein Wirken ging weit über die Dorfgrenzen hinaus. Er liebte es, Neues auszuprobieren, setzte sich mit modernen Ausdrucksformen der (Kirchen-) Musik auseinander und betrat auch Neuland in der Musikvermittlung. 2004 zeichnete die Gemeinde sein Schaffen mit der erstmals verliehenen Ballwiler Ehrennadel aus.

 

Nach Ballwil kam der aus Ruswil stammende Josef Estermann im Jahre 1954. Kurz zuvor hatte er am Seminar Hitzkirch das Lehrerpatent und dazu eine gute musikalische Ausbildung erworben, die es ihm ermöglichte, seine besondere Begabung zu entwickeln. Die Ballwiler holten den jungen Mann nicht nur als Primarlehrer, sondern auch als künftigen Organisten und Leiter des Kirchenchors und des Jugendchors in ihr Dorf und ihre Pfarrei. Dies bedeutete damals eine Vielzahl von wöchentlichen Orgel- und Choreinsätzen.

 

In Ballwil fand Josef Estermann aber auch seine Frau fürs Leben, Theres Odermatt. Das junge Paar heiratete 1959. Theres war Josef eine verständige Partnerin und verlässliche Stütze. Eine Tochter und zwei Söhne machten die junge Familie komplett. Dem umtriebigen Musiker bedeutete die Familie als Ort des Rückzugs und der vertrauten Nähe sehr viel. Mit seinen Kindern verbrachte er einen grossen Teil seiner eher kargen Freizeit. Sie erinnern sich besonders gern an die

gemeinsamen Bergwanderungen. Der musikalische Familienmensch entfaltete übrigens noch andere kreative Fähigkeiten, als gewandter Zeichner etwa oder beim Bau des eigenen Hauses im «Schönfeld».   

 

Berufsbegleitend bildete sich Josef Estermann schon früh am Konservatorium Luzern und an der Musikakademie Zürich weiter und krönte das Studium mit dem Konzertdiplom in Klavier. 1968 wurde er als Musiklehrer an das Kantonale Lehrerinnen- und Lehrerseminar Luzern berufen, wo er bis zur Pensionierung (1999) wirkte. Zudem lehrte er während vielen Jahren als Dozent an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik Luzern (heute Musikhochschule) und am Katechetischen Institut.

 

1972 übernahm Josef Estermann zusätzlich die Leitung des Gemischten Chors Thalwil. 1978 gründete er den Belcantochor Ballwil, ein kleines Vokalensemble, das in den 20 Jahren seines Bestehens bei Konzerten und Medienauftritten landesweit Beachtung fand. Josef Estermann war zudem lange Zeit im luzernischen und schweizerischen Chorwesen tätig, unter anderem als Kantonaldirektor der Luzerner Chöre und als Mitglied der Musikkommission der Schweizerischen Chorvereinigung.  Er schuf auch eine Reihe ansprechender Chorsätze, namentlich von alten Schweizer Weihnachts- sowie Mai- und Liebesliedern.

 

Bei all dieser Vielfalt der Aktivitäten bildete die Aufgabe des Kirchenmusikers an der Pfarrkirche Ballwil immer den festen Kern seines Wirkens. Den tiefgreifenden Wandel im kirchlichen Leben und in der Kirchenmusik nach dem zweiten Vatikanischen Konzil hat er als weltoffener Christ aktiv mitvollzogen. In Pfarrer P. Christian Lorenz fand er für die letzten drei Jahrzehnte seiner Zeit als Kirchenmusiker den Wunschpartner für eine fruchtbare Zusammenarbeit.

 

Im Lauf der Jahre wuchs der Kirchenchor Ballwil zu einer leistungsfähigen Formation von mehr als 50 Sängerinnen und Sängern heran. Josef Estermann verstand es, seine Choristen zu begeistern und auch für anspruchsvolle Werke einzunehmen. Als er sich 1965 erstmals an ein grosses Werk wagte und zusammen mit dem Luzerner Sinfonieorchester Mozarts «Krönungsmesse» in der Pfarrkirche aufführte, war das für unser Dorf gewiss eine kleine Sensation. In der Folge wurden die geistlichen und weltlichen Konzerte mit Berufsorchestern und Gastsolisten zu seinen eigentlichen Sternstunden, für die er alles gab. Auf der langen Werkliste figurieren grossen Namen wie etwa die «Schöpfung» und die «Nelson-Messe» von Haydn, der «Messias» von Händel, Puccinis «Messa die Gloria», Mendelssohns «Lobgesang» oder die Uraufführung einer Kantate des zeitgenössischen Komponisten John Wolf Brennan. Dass er mehrmals die international bekannte Sopranistin Rachel Harnisch als Solistin gewinnen konnte, war ihm eine besondere Genugtuung.

 

Erst in den letzten zwei Jahren lähmten Altersbeschwerden zunehmend seinen Tatendrang. Das tägliche Üben am Flügel brach ab, die Spaziergänge wurden immer kürzer, seine unverwechselbare Erscheinung im Dorf immer seltener, die Gespräche verstummten. Liebevoll umsorgt von seiner Frau, zog er sich zurück in die Stille der vertrauten Umgebung im «Schönfeld». In der Nacht auf den 30. Dezember durfte er friedlich entschlafen. Die Erinnerung an den Menschen und Musiker Josef Estermann wird in Ballwil aber noch lange lebendig bleiben.    

Verfasst im Einverständnis mit der Familie von Hans Moos