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Musik 07.09.2018

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Musik von A bis Z: L wie «lyrischer» (klassischer) Gesang

Operngesang ist eine Gesangstechnik in der klassischen Musik (Oper, Lieder, Kantaten usw.). Der Operngesang machte aber auch Ausflüge in die populäre Musik. SängerInnen wie Montserrat Caballé oder Luciano Pavarotti haben mit Popsängern zusammengearbeitet. Seit den späten 1990er Jahren fragen Symphonic Metal-Gruppen häufig SängerInnen an (oder sogar Sänger und Chöre), um bestimmte Partien zu übernehmen.

Montserrat Caballé und Freddy Mercury in «Barcelona»

https://www.youtube.com/watch?v=hkskujG0UYc

Luciano Pavarotti und Eros Ramazzotti in seinem Hit «Se bastasse una sola canzone»

https://www.youtube.com/watch?v=sK0GuKQPfRk

 

Misstrauen ...

Es liegen oft Welten zwischen einer klassisch ausgebildeten Stimme und einer Laienchorstimme. Diese Distanz ist oft auf eine Unkenntnis dieser Gesangstechnik zurückzuführen und auch auf ein Misstrauen des Chors oder Chorleitenden in Bezug auf eine ausgebildete Stimme.

Manchmal (und das ist nicht ungewöhnlich) verbieten Gesangslehrpersonen ihren SchülerInnen, einen Laienchor zu besuchen. Der Grund? «Sie werden Ihrer Stimme schaden, weil Sie skurrile technische Ratschläge erhalten!». Auch wenn diese Position nachvollziehbar ist, ist sie glücklicherweise je länger je mehr absolut falsch. Chorleitende, auch wenn sie Amateure sind, sind sich des Interesses von ChorsängerInnen an Gesangsunterricht bewusst und haben selber oft auch Gesangsstunden genommen.

Manchmal sind Chorleitende auch unglücklich darüber, dass ein Sänger Gesangsunterricht nimmt. Der Grund? Die Stimme des Sängers wird aufgrund des Unterrichts bald die seiner Kameraden übertreffen.

Blaskapellen vs. Chöre

Ja, an der Stimme kann man arbeiten. Ein Amateur-Posaunist, der Teil einer Kapelle sein möchte, wird zuerst lernen, sein Instrument zu spielen. Er wird auch Gehörbildung und Notenlesen lernen, aber das ist eine andere Geschichte, über die wir wieder sprechen. Viele Blaskapellen haben ihre eigene Musikschule. Sobald er sich dem Ensemble angeschlossen hat, wird unser Amateur-Posaunist weiterhin täglich üben. Dies war früher nicht der Fall, aber es ist Standard geworden, so dass unsere Dorfkapellen in den letzten zwanzig Jahren enorme qualitative Fortschritte gemacht haben.

Die Chöre haben diesen Schritt noch nicht gemacht. Warum? Einfach weil man denkt, dass wenn man mit zwei Stimmbändern geboren ist, singen kann. Als ob wir ohne vorherige Übung einen 200-Meter-Hürdenlauf rennen könnten, weil wir zwei Füsse und zwei Beine haben! Natürlich erfordert das Singen unter der Dusche keine Stimmübungen. Aber dieses dauert nur ein paar Minuten und wir «malträtieren» die Ohren anderer nicht. Damit aber die Stimmbänder während eines Konzertes oder einer zweistündigen Probe entspannt bleiben, so dass die Zuhörer nicht von angestrengten Stimmen geplagt werden und vor allem damit das Instrument lebenslang funktioniert, wäre es ratsam, das Thema im Chorwesen viel stärker anzugehen.

 

Einige Anekdoten

Selbst Musikprofis, erfahrene Instrumentalisten, fragen sich, was man in einem Gesangsunterricht lernen kann: «Eine Gesangsschülerin hat eine gute Stimme oder nicht, was können Sie als Lehrer tun?» Die Effizienz des Atems, der Körper als Ganzes, die Verwendung von Resonatoren, das Erarbeiten von Tiefen und Höhen, Pianissimi, die bis in den hinteren Teil des Raumes gehört werden können, Fortissimi, die nicht geschrien werden und viele andere Dinge sind Teil des Unterrichts. Das ist nicht angeboren. Oder eher – sicher haben Sie auch schon gemerkt, wie laut und gut die Stimme eines kleinen Kindes ist: Wir müssen diese Quelle der Stimme wiederfinden und weiterentwickeln. Einem Fernsehkommentator, der über die Natürlichkeit der Stimme von Victoria de los Ángeles im Alter von über 70 Jahren erstaunt war, antwortete die berühmte spanische Sopranistin, dass sie seit mehr als 50 Jahren täglich zwei Stunden reine Technik mache, um sie zu bewahren!

In der Chorprobe: Als der Chorleiter Stimmen bemerkt, die vom Winterklima kalt und trocken sind, versucht er, diese sanft zu wecken, um die Stimmen nicht anzustrengen. Bevor man sich dem Repertoire zuwendet, macht ein Sänger folgende Bemerkung: «Zwanzig Minuten Stimmübungen? Du übertreibst, wir sind nicht dafür  hergekommen!» Oder wenn man eine kleine körperliche Übung macht, um den Atem zu entspannen, der zu hoch und total angespannt ist: «Sind wir denn beim Turnen oder was?» Das sind zwei Anekdoten aus eigener Erfahrung.  

 

Ich mag Opernstimmen nicht!

Diesen Satz hört man oft, manchmal sogar von LaienchorsängerInnen. Was sagt man über eine Opernstimme? Sie ist nicht natürlich, wir verstehen den Text nicht, sie hat ein Vibrato.

Einige Erklärungen:

Eine Opernsängerin muss über ein Orchester und einen Chor drei Stunden lang ohne Mikrofon und oft in schwindelerregenden Höhen hinwegsingen. Es ist offensichtlich, dass man seine Stimme anders benutzen muss als beim Telefonieren. Natürlich verwenden wir die gleichen Muskeln zum Singen. Aber der Sprecher atmet, wo er will, benutzt nur eine geringe Entfernung, spricht direkt zum Ohr seines Zuhörers und ist allein. Die Sängerin muss die musikalischen Atemzüge respektieren, die oft eine hohe Fähigkeit des Atmens erfordern, Höhen, die viel höher und viel tiefer als der gesprochene Bereich geschrieben sind, und, wie bereits gesagt, der „Kampf“  gegen ein Orchester. Eine Solistin, die die Violetta in der Traviata spielt, ist eine wahre Athletin der Stimme. Sie wird daher ihre besten Resonatoren verwenden, die zusammen mit einem guten Atemmanagement das Vibrato verursachen.

Eine gesunde Stimme hat ein Vibrato. Aber eine gesunde Stimme muss auch ohne Vibrato singen können, wenn der Stil es erfordert! In extremen Situationen, unter anderem aus akustischen und physiologischen Gründen, ist es schwierig, bestimmte Vokale zu unterscheiden. Um sein Organ zu erhalten, rundet die Sängerin die Vokale in der Höhe, was dazu führt, dass man eine klassische Sängerin weniger gut versteht als eine Popsängerin. Mozart wusste dies bereits sehr gut und verwendete, wenn er die berühmten und schrecklichen Laute der Königin der Nacht schrieb, keinen Text. Er wusste, dass man in dieser Höhe ein a nicht von einem o, ein i nicht von einem u unterscheiden kann.

Folgendes Beispiel ist interessant, weil man die Stimme der Solistin in einem gesprochenen Dialog hört (und da kümmert sich Nathalie Dessay nicht um Technik), dann in einem normalen Bereich (naja, ... fast normal) wo der gesungene Text verständlich ist und schliesslich in den Vokalisen bis zum dreigestrichenen F, ohne Text.

https://www.dailymotion.com/video/xxem83

 

Abschluss

Kein Laienchorsänger wird auf die Bühne gehen, um die Rolle der Königin der Nacht, des Wilhelm Tells oder Orfeos zu übernehmen. Aber jeder aufstrebende Sänger hat allen Grund, sich um seine Stimme zu kümmern, sie zu seinem eigenen Vergnügen und für das Publikum zu verbessern. Ja, Singen erfordert eine andere Technik als die gesprochene Stimme. Aber ... sind wir nicht in einem Chor, um zu singen und nicht zu sprechen?

Und nun einige Kostproben für jede Stimmgattung:

Sopran: Nathalie Dessay

https://www.youtube.com/watch?v=e1k5l4oiCEc

Nathalie Dessay

Mezzosopran: Cecilia Bartoli

https://www.youtube.com/watch?v=X-kRgs3H7so

Cecilia Bartoli

Alt: Nathalie Stutzmann

https://www.youtube.com/watch?v=DB44ehylkbk&index=4&list=RDEMNfy-gVwYfJi_Bl686ECvkw

Nathalie Stutzmann

Countertenor: Jakub Józef Orliński

https://www.youtube.com/watch?v=CzF11RsxcWg

Jakub Józef Orliński

Tenor: Juan Diego Flórez

https://www.youtube.com/watch?v=5BvkAzY0TF4

Juan Diego Flórez

Bariton: Dmitri Hvorostovsky

https://www.youtube.com/watch?v=Aa9coB-JKFo

Dmitri Hvorostovsky

Bass: Matti Salminen

https://www.youtube.com/watch?v=iBt5XkMrYzA

Matti Salminen

Thierry Dagon (Übersetzung: Isabelle Schmied)