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ExpertInnen 22.10.2019

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Rückblick auf das Gesamtschweizerische Expertentreffen in Winterthur

«Noch nie wurde unsere Leistung so genau bewertet. Die Kritik hat uns motiviert, zu wachsen. Aber bedenkt auch, dass wir Laien sind.» Das ist die differenzierte Rückmeldung einer Chorsängerin, deren Chor sich am 1. Gesamtschweizerischen Expertentreffens von einem Experten und vor den Augen und Ohren anderer Chorspezialistinnen und -Spezialisten beurteilen liess. Expertinnen und Experten aus der ganzen Schweiz trafen sich vom 31. August bis am 1. September am Konservatorium Winterthur und bildeten sich für ihre Tätigkeit in der Beurteilung von Chorleistungen weiter. Die Chorvorträge des Frauenchor Eglisau unter der Leitung von Katharina Kühne und des von Paolo Vignoli geleiteten Sofa-Chors aus Winterthur mit der anschliessenden Expertenbesprechung und -beurteilung bildeten den Abschluss und Höhepunkt des Wochenendes.­­

 

Neuer Bewertungsraster

Aber spulen wir an den Anfang zurück. Patrick Secchiari, Elisabeth Gillioz und Paolo Vignoli begrüssen am Samstagmorgen die rund 60 Teilnehmenden im lockeren Wechsel von Deutsch und Französisch. Die Weiterbildung startet mit der Präsentation des neuen Bewertungsrasters für Chorvorträge, der nun schon seit einiger Zeit verwendet wird. Statt Prädikate wie gut, sehr gut usw. werden neu Noten zur Einschätzung von Leistungen verwendet. Fernziel sei es aber, dass die Noten gar nicht mehr gebraucht würden. Trotz reger Diskussion im Anschluss waren sich die Anwesenden einig, dass die Beurteilung die Sängerinnen und Sänger unterstützen und sie motivieren soll, sich weiter zu entwickeln. Niemand solle mit hängenden Schultern aus dem Bewertungsgespräch gehen.

Elisabeth Gillioz und Patrick Secchiari

Workshops zu verschiedenen Musikstilen

Dem Verlauf der Musikgeschichte folgend startete anschliessend der erste Workshop zu alter Musik mit Marc Bochud mit einer praktischen Übung. Die Expertinnen und Experten teilten sich in drei Gruppen auf und erhielten unterschiedliche Partituren desselben Stücks. Nach einer kurzen Übungsphase trugen sie ihr Lied vor. Eindrücklich zeigte sich, wie stark verschiedene Interpretationen den Charakter eines Stücks verändern können. Der Chorleiter und Musikwissenschaftler Bochud gab eine Einführung in die historische Aufführungspraxis und plädierte dafür, sich bei alter Musik auch mit der musikwissenschaftlichen Forschung auseinanderzusetzen. 

 

In eine andere Sphäre entführte anschliessend Ulrike Grosch, die die romantische Musik als Ausdruck der Sehnsucht nach dem Unerklärlichen, den Emotionen und der Suche nach einer besseren Welt beschrieb. Eine rein objektive Bewertung sei bei dieser Musik unmöglich, so Grosch. Trotzdem gebe es klare Merkmale der romantischen Musik, die Implikationen für die Aufführung haben: lange Linien, die eine gute Gesangs- und Atemtechnik erfordern, komplexe Rhythmen, Agogik und die Klangfarben. Das Dirigat müsse diese Musik mit sehr viel Dynamik und Legato anzeigen und die Unabhängigkeit beider Hände beherrschen. 

 

Ein weiter Sprung auf dem musikalischen Zeitstrahl machte der Workshop zu Pop, Rock und Jazz des in Dänemark beheimateten Chorleiters Christian Ronsfeld. Wobei dieser gerade dafür plädierte, die Trennung zwischen E- und U-Musik aufzuheben und den Sängerinnen und Sängern die ganze Bandbreite der Musik zu zeigen. Zentral in den modernen Musikstilen ist der Rhythmus, weshalb die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich selbst auf ihr Rhythmusgefühl getestet wurden. Christian Ronsfeld führte auch in die Complete Vocal Technique ein, eine für diese Musikstile geeignete und leicht verständliche Gesangstechnik. Mit vielen unterhaltsamen Übungen und seiner humorvollen Art vermochte er die Runde für diese Musik zu begeistern. 

Workshop Alte Musik

Ulrike Grosch

Workshop zu Pop, Rock und Jazz

Wertvolle Inputs für das Schweizerische Gesangsfestival 2022

 Die am Ende des intensiven Wochenendes befragten Teilnehmenden schätzten die Inputs zu den Musikepochen mit den vielen praktischen Übungen, die Frage nach deren Umsetzung im Chor und nicht zuletzt die vielen Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen man sich auch bei den gemeinsame Essen austauschen konnte. Gerade in Hinblick auf das Schweizerische Gesangsfestival 2022 in Gossau, das an diesem Wochenende von Guido Helbling, OK-Mitglied, kurz vorgestellt wurde und wo viele Expertinnen und Experten zum Einsatz kommen werden, war das Gesamtschweizerische Expertentreffen eine wichtige Weiterbildung, um sich für diese anspruchsvolle Aufgabe fit zu machen. 

Guido Helbling

Frauenchor Eglisau unter der Leitung von Katharina Kühne

Sofa-Chor aus Winterthur geleitet von Paolo Vignoli

Isabelle Schmied